Lohn auch für illegale Arbeit

5.5.2007 – 12:3 Uhr
von Michael Isenberg, Sindelfinger Zeitung 04.05.07

Arbeitsgericht Stuttgart hat zwölf Polen, die illegal als Scheinselbstständige auf dem Bau arbeiteten, trotzdem Anspruch auf Arbeitslohn zugesprochen. Die Baufirma, die bisher Löhne über 24 000 Euro schuldig geblieben war, nahm den Vergleich an. Der Fall ist bundesweit einmalig. „Erstmals ist es gelungen, auch für ertappte Scheinselbstständige aus Osteuropa einen Lohnanspruch wie für reguläre Arbeitnehmer durchzusetzen“, sagt Matthias Kirchner vom gewerkschaftsnahen Europäischen Verband der Wanderarbeiter (EVW).

„Dieser Fall ist bundesweit einmalig.“ Die zwölf Polen arbeiteten Ende des Jahres 2006 auf zwei Baustellen im Stadtgebiet der Landeshauptstadt. Als ihr Auftraggeber, eine Stuttgarter Baufirma, nach wochenlanger Arbeit Löhne in Höhe von rund 24 000 Euro schuldig blieb, wandten sich die Männer Hilfe suchend an die Behörden. Später reichte der EVW beim Arbeitsgericht Stuttgart Klage ein. Am Mittwoch stimmte die Baufirma beim Gütetermin überraschend einem Vergleich zu. Sie wird 16 000 Euro Bruttolöhne nachzahlen. „Ich bin mir sicher, dass wir auch den Prozess gewonnen hätten“, sagt EVW-Rechtsanwalt Heinrich Jüstel aus Würzburg. Das Gericht habe die Männer „wie ordentlich sozialversicherungspflichtige Beschäftigte“ angesehen und damit deren Anspruch auf tariflichen Mindestlohn von 12,40 Euro pro Arbeitsstunde formuliert. Die polnischen Arbeiter müssten das jetzt ausgehandelte Entgelt regulär in Deutschland versteuern; die Firma ihrerseits hätte Sozialabgaben nachzuzahlen. „Den Polen wurden Papiere zur Unterschrift vorgelegt, die sie wegen der Sprachbarriere nicht verstanden haben“, berichtet Kirchner von der branchenüblichen illegalen Praxis. Dass sie sich damit als selbstständige Unternehmer anmeldeten, hätten sie nicht erkannt. Auch das Gewerbeamt habe keinen Verdacht geschöpft. „Die Menschen werden in illegale Beschäftigungsverhältnisse bugsiert, die sie zu Tätern machen“, klagt Kirchner. Scheinselbstständigkeit müsse fraglos bekämpft werden. „Bestraft werden müssen aber vor allem diejenigen, die aus der illegalen Beschäftigung Profit ziehen.“ Mit dem Vergleich habe sich das Gericht vorrangig an der Not der betroffenen Arbeiter orientiert.