Polen atmen trotz allem Asbest aus der „Rotterdam“ ein

20.5.2007 – 9:39 Uhr
von Bartosz T. Wieliński in „Gazeta Wyborcza“ 09.05.2007

In Wilhelmshaven entfernen Polen unter skandalösen Bedingungen das krebserregende Asbest aus dem Schiff „Rotterdam“. Es handelt sich um das gleiche Schiff, das von Arbeitern in Danzig von Asbest befreit werden sollte. 2006 lag die „Rotterdam“ 180 Tage lang in Danzig vor Anker. Der holländische Reeder erhielt keine Genehmigung für die Renovierung des Schiffes und zwar sollten mehr als 100 Tonnen mit Asbest verseuchte Bodenbeläge, Möbel und Isolierungen entfernt werden. Außerdem hat der Grenzschutz in den Kühlräumen der „Rotterdam“ illegal ausgeführten Asbestmüll entdeckt.

Unter dem Druck der hiesigen Behörden und Medien (u.a. „Gazeta Wyborcza“) hat der Reeder aufgegeben und im August hat das Schiff Polen verlassen. Im Innenhafen in Wilhelmshaven stört das Asbest niemanden, insbesondere da es von 200 polnischen Arbeitern entfernt wird. Sie müssen die mit Asbest isolierten Rohre mit Winkelschleifer schneiden, und heiße Feilspäne zerstören ihre Arbeitsanzüge und verbrennen ihre Hände. Sie beschädigen auch die Schläuche der Gasmasken. „Durch diese Löcher kommt die mit Asbest verseuchte Luft hinein“, erklärt mir einer der polnischen Arbeiter. Laut Behauptungen der Polen sei es schon vorgekommen, dass drei Viertel der Truppe mit beschädigten Masken gearbeitet hat. Vergeblich wird um Neue gebeten. Die niederländische Firma Derksen Dienstverlening, die die Polen einstellte, ist der Ansicht, es sei alles in Ordnung. Wie Polen Asbest aus der SS „Rotterdam“ entfernen In der Werft in Wilhelmshaven entfernen Polen toxischen Asbest aus dem Überseeschiff „Rotterdam“. Ohne ordentliche Arbeitsanzüge und mit defekten Gasmasken. „Ich fürchte mich, darüber nachzudenken, wie viel ich von diesem Mist eingeatmet habe“, sagt Paweł aus Tschenstochau. Die grauweiße „Rotterdam“ liegt an einem der Hafenkaie vor Anker. Um sie herum Container, Gerüste und zwei Krane. An Bord laufen Menschen mit blauen Helmen hin und her. Zwei Tausend Tonnen Asbest „Die ersten zwei Arbeitstruppen wussten, dass sie mit Asbest arbeiten werden und haben an Schulungen in Polen teilgenommen. Die Nächsten hatten davon keine Ahnung. Sie wurden vor Ort geschult. Als sie erfahren haben, was sie tun sollen, haben manche von ihnen ihre Siebensachen gepackt und sind nach Hause abgereist“, erzählt Mateusz, Mitte Zwanzig, aus Südpolen. Wir unterhalten uns im Sitz der Gewerkschaft in Wilhelmshaven. Mateusz und ein gutes Dutzend seiner Kollegen suchen zusammen mit deutschen Gewerkschaftlern nach einer Lösung. „Es waren wir, die auf die Arbeiter zugegangen sind. Die im Hafen arbeitenden Deutschen haben uns einen Hinweis gegeben. Die Situation dieser Menschen ist erschütternd“, so Gewerkschaftler Gero Lüers. Seit einigen Tagen ist auch Małgorzata Zambroń vom Europäischen Verband der Wanderarbeiter vor Ort. Sie trifft sich mit den Polen. Auf dem ersten geheimen Treffen erschienen 60 von 200 der auf der „Rotterdam“ arbeitenden Personen. Das Schiff wurde in den 60er Jahren vom Stapel gelassen, als Asbest in allgemeinem Gebrauch war. Am Bord des Schiffes sind knapp 2000 Tonnen Asbest. Er ist überall. Wände und Decken sind mit ihm isoliert, Leitungsrohre liegen in einer Umhüllung aus Asbest. Es handelt sich überwiegend um blaues Asbest, Krokydolith. Dies ist die toxischste Varietät, die am meisten und am schnellsten Tumore hervorruft. Er wurde vor gut über 25 Jahren aus dem Gebrauch genommen. „In den Kabinen war es einfach weiß von Asbest“, erzählt Paweł aus Tschenstochau, der es auf der „Rotterdam“ einige Monate ausgehalten hat. Er entfernte das Asbest mit Spachteln von den Wänden, und mit einem Winkelschleifer schnitt er mit Asbest isolierte Rohre aus. „Langsam laufende Maschinen wurden uns versprochen. Wir haben schnell laufende Winkelschleifer bekommen. Wenn man mit ihnen ein Rohr schneidet, brennen die Schleifspäne den Arbeitsanzug durch und verbrennen die Hände“, erzählt Mateusz. Schleifspäne fallen auf den Schlauch, der die Gasmaske mit dem Schutzfilter verbindet und brennen Löcher hinein. „Wenn der Akku im Filter kaputt geht, fängst du an, die Luft mit Asbest einzusaugen“, erzählen die Arbeiter. Ein geladener Akku im Filter sollte 10 Stunden halten, aber die Gasmasken sind seit Dezember ununterbrochen im Gebrauch. Und es gibt zu wenig von ihnen – für 200 Arbeiter gibt es höchstens 120 Gasmasken. Diejenigen, die Frühschicht arbeiten, geben die Gasmasken an ihre Kollegen von der Spätschicht weiter. Diejenigen, die das verweigern, werden bestraft. „Die nicht geladenen Akkus funktionieren noch höchstens zwei Stunden. Nicht alle merken, dass etwas nicht in Ordnung ist und arbeiten weiter. Sie fallen in Ohnmacht und bluten“, so Mateusz. Es kam schon vor, dass drei Viertel der Gasmasken defekt waren und vergeblich hat man um neue gebeten. Lagerverwalter versuchten, die Gasmasken zu reparieren, Schläuche zu wechseln, aber mit schlechtem Ergebnis. „Eine reparierte Gasmaske taugt nach ein paar Stunden sowieso nichts mehr“, sagen die Polen. Weißer Staub kommt auch durch Löcher an den Wänden und undichte Container hinaus. „Vorschriftsmäßig sollte Asbest in Doppelsäcke eingepackt werden, die dann in Container gebracht werden und die Container müssten dann in Plastikfolie eingepackt werden. Keiner macht das“, sagt Paweł. Sie bekommen auch keine Schutzhandschuhe, nur einfache Stoffhandschuhe. „Nach ein paar Stunden sind sie so durchlöchert, dass man sie nur fortschmeißen kann. Es wird jedoch bei uns die ganze Woche mit ihnen gearbeitet, und deine Handschuhe gibst du an die Kollegen von der nächsten Schicht weiter“, erzählt Jerzy aus Bielsko. Die zuerst angekommenen Truppen der Polen wurden in einem nicht fertiggestellten Hotel untergebracht. In engen Zimmern wohnten mehrere Personen. Für 140 Personen gab es zwei Toiletten. „Einmal sind Polizei und Stadtbehörde in das Gebäude eingedrungen. Als sie gesehen haben, dass so viele da wohnen, ordneten sie an, die Hälfte von uns innerhalb von einer Woche woanders unterzubringen“, erzählt Mateusz. Er wohnt jetzt nicht viel besser. Mit zehn Kollegen teilt er eine Drei-Zimmer-Wohnung. Er will lieber darüber schweigen, wie das Badezimmer aussieht. „Es wurde uns eine neue Dusche versprochen. Aber das war’s“, sagt er. Jurek: „Es gibt mieses Essen, wir kriegen fünf Fischstäbchen oder einen Fleischbrocken/ ein elendes Stück Fleisch und etwas Kartoffeln. Für Kost und Logis werden uns vom Lohn 220 Euro monatlich abgezogen“. Die Polen arbeiten bei der Firma Derksen Polska, einer polnischen Tochtergesellschaft der niederländischen Firma Derksen Dienstverlening. Diese ist wiederum ein Subunternehmen der niederländischen Firma Infinity, die die Renovierung der „Rotterdam“ als Auftrag erhalten hat. Derksen sollte 11,50 Euro/ Stunde brutto zahlen. Es werden 2 Euro weniger bezahlt. Warum? „Keiner kann uns was dazu sagen“, sagen die Polen. Sie bekommen auch weder Spesen, noch Trennungs-, oder Urlaubsgeld. „Die polnischen Aufseher behandeln uns wie Müll. Jede Frage, wann die Überstunden geregelt werden und wann der Rest des Geldes ausgezahlt werde, mündet in eine Kündigungsdrohung“, so Jurek Absolut in Ordnung In Derksen Polska wurde ein Gespräch mit mir abgelehnt. Ich habe es lediglich geschafft, mit Edwin von Dort, dem Bauleiterf von Derksen Dienstverlening zu sprechen. „Bei uns ist alles absolut in Ordnung. Bitte glauben Sie nicht an das, was die Menschen erzählen. Wenn es anders wäre, würde keiner bei uns arbeiten. Der polnische Konsul war übrigens bei uns und hat keine Widrigkeiten festgestellt“, sagt er. „Das stimmt nicht“, erzählt Łukasz Koterba, polnischer Konsul in Hamburg. „Zusammen mit den deutschen Behörden haben wir eine Kontrolle auf der „Rotterdam“ durchgeführt. Ich habe mit den polnischen Arbeitern unter vier Augen gesprochen. Ich habe den Eindruck gehabt, dass sie Angst haben. Ich habe ständig die Hoffnung, dass es irgendeiner wagt, endlich eine Klage zu erheben. Die Leute haben meine Daten“, sagt er. Die Chefs von Darksen verlangten vom Konsul eine Bescheinigung, dass auf dem Schiff alles in Ordnung sei. Der Konsul verweigerte dies. Deutsche Gewerkschaftler wollen mit Infinity und Derksen verhandeln, damit sich die Arbeitsbedingungen der Polen ändern. “Die Menschen halten hier ein paar Monate aus und hauen ab. Dann aber kommen die Nächsten nach Wilhelmshaven. Derksen bringt so viele Leute, dass es für sie an Werkzeugen fehlt“, so die Arbeiter. Das Entfernen des Asbests solle bis August dauern. Später soll die „Rotterdam“ zum schwimmenden Vergnügungszentrum und Konferenzschiff umgebaut werden. In Derksen Polska wollte keiner mit uns sprechen. Die Sekretärin verlangte, dass Fragen per E-Mail geschickt werden. Es kamen keine Antworten. Die Chefin der Firma, Olga Łuczak hat am Nachmittag kein Handy abgenommen.