Kaiserslautern, Juli 2009

12.8.2009 – 18:5 Uhr
von Mihai Balan

Mitte Juli wurde der EVW durch einen rumänischen Arbeiter kontaktiert. Dieser Kollege klagte über verhältnismäßig viel zu hohe Lohnabzüge von 900 Euro für die Unterbringung in einer Dreizimmerwohnung, die er sich mit weiteren zwölf (!) Arbeitern teilen musste. Einen Betrag, für den ein normaler Entsendebetrieb überwiegend selbst aufkommen müsste, wenn es sich da nicht um einen Arbeitsvermittler handeln würde, der seine Arbeiter geschickt als Selbstständige tarnt. „Jeder arbeite nach seinem eigenen Plan und völlig selbstständig, ohne jegliche Anweisungen durch Poliere, Bauleiter, Ingenieure etc.“, so der eigentliche Drahtzieher, dessen Namen wir derweil nicht nennen können.

12Um sich die Behörden vom Hals zu halten, entfaltete er eine wahre Papierschlacht, die aber wohl nur von der eigentlichen Realität ablenken soll. Den in die Scheinselbständigkeit Gelockten gaukelt er vor, sie würden schon jeder bald im eigenen BMW X5 von Baustelle zu Baustelle fahren, um ihre eigenen Arbeiter zu beaufsichtigen. Eine Gehirnwäsche dieser Art war auch für uns neu. Der Kollege berichtete uns aber über die uns aus vielen anderen Fällen leider schon bekannte wirklichen Umstände dieser „selbständigen“ Beschäftigung: Alle Arbeitsanweisungen kämen demnach vom Chef, die Ausführung werde kontrolliert, die Arbeitszeiten vorgegeben usw. usf. Nach außen sollten sich die Arbeiter aber immer den Anschein der Selbstständigkeit geben, so dass es für die zuständigen Behörden schwer ist, allein vom Arbeitsvorgang auf Scheinselbstständigkeit zu schließen. Intern herrsche aber eine straffe Hierarchie, die nur Betroffene wahrnehmen könnten. Als der Arbeiter auspackte und wir im Anschluss daran den Generalunternehmer mit seinen Aussagen konfrontierten, wurde von Seiten des Arbeitsvermittlers alles abgestritten. Sobald wir abends von der Bildfläche verschwunden waren, wurde der Druck auf den einzigen mutigen Kollegen sofort massiv verstärkt. Andere Arbeiter wurden angestachelt, gegen ihn vorzugehen. Sie bedrohten ihn, weil sie befürchteten, dass sie sonst nicht einmal mehr ihre mickrigen Löhne sehen würden. Alle Angebote, die von Seiten der IG BAU und des EVW an die Arbeiter gemacht wurde, wurden ausgeschlagen. Immer noch vertrauen die Arbeiter mehr demjenigen, der zugleich ihr Unheil bedeutet: ihrem Arbeitsvermittler. Diese Aktion scheiterte letztlich leider an der gespaltenen Arbeiterschaft. Der unter Druck geratene Kollege nahm deshalb noch am gleichen Abend die Rückfahrtmöglichkeit mit dem Bus wahr und entzog sich so sicherheitshalber den bis dahin nur verbalen Angriffen der Kollegen. Das krass unsolidarische Vorgehen einiger Arbeiter gegen ihren eigenen Kollegen hat die beteiligten Gewerkschafter erschüttert. Es ist augenscheinlich, dass auch in diesem Fall erst noch weitere üble Erfahrungen von den Arbeitern gemacht werden müssen, bis sie begreifen, dass sie selbst letzten Endes ebenfalls durch das System Scheinselbstständigkeit geprellt werden. Und es ist mehr als wahrscheinlich, dass sie diese schlechten Erfahrungen auch tatsächlich bald machen werden. Hoffen wir, dass sie sich dann eines Besseren besinnen.