Staatsanwalt und Zollfahnder greifen zu – Durch seinen dubiosen Umgang mit rumänischen Arbeitern geriet der Mann in die Schlagzeilen. Hans-Jürgen Weinert wurde gestern verhaftet.

11.8.2009 – 12:23 Uhr
von Holger Klein und Ralf Rohrmoser-von Glasow

Mitarbeiter der Zollverwaltung schleppten nach der Durchsuchung gestern Mittag Kisten mit Unterlagen mehrerer Firmen aus den Geschäftsräumen nahe des „Phrix-Turms“. Siegburg – Karton um Karton schleppten die Mitarbeiter der Zollverwaltung gestern Mittag, 17. Januar, aus den Geschäftsräumen von mindestens sieben verschiedenen Firmen, die ihren Sitz ganz in der Nähe des „Phrix-Turmes“ haben. Unter dem vorspringenden Dach des Baus in dem Gewerbegebiet wehte eine rumänische Fahne im Wind.

Know How rund ums Bauen bietet eines der Unternehmen an. In die Schlagzeilen geraten war Inhaber Heinz Jürgen Weinert, der auf einem Briefkasten Dienstleistungen anbietet, allerdings wegen seiner Geschäftspraktiken mit Bauarbeitern aus dem südosteuropäischen Land, die für ihn etwa im Kölner Rheinau-Hafen oder bei den Aachen-Arkaden tätig waren (wir berichteten). Am Morgen war er in Lohmar festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 56-Jährigen sowie mehrere weitere Beteiligte wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, des gewerbsmäßigen Betrugs und des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitslohn. Bereits im Juli 2007 hatte die Behörde seine Büros durchsucht. Damals waren die Strafverfolger auf Unterlagen gestoßen, aus denen sie einen Schaden von mehr als 2,1 Millionen Euro für die Allgemeinheit zusammen rechneten, wie der Pressesprecher, Oberstaatsanwalt Fred Apostel, gestern auf Anfrage berichtete. Darin sind fehlende Steuerzahlungen und säumige Abgaben an die Sozialversicherungen enthalten. Noch nicht berücksichtigt sind dagegen die ausstehenden Lohnforderungen der Arbeiter, die meist aus Rumänien, manche aber auch aus Polen stammen. Weinert hatte sie, so Apostel, nach Deutschland geholt und ihnen für ihre Verhältnisse gute Löhne angeboten, die Rede ist von 7,50 Euro. Dann habe er sie Papiere unterschreiben lassen, ohne dass sie, aufgrund fehlender Sprachkenntnisse, genau wussten, was darin stand. Mit diesen Unterlagen habe der Unternehmer sie, so die Vorwürfe, als Gewerbetreibende angemeldet. Als Selbständige hätten sie dann selbst Steuern abführen müssen. Tatsächlich aber seien sie lediglich so genannte Scheinselbständige gewesen. „Sie mussten in Kolonnen weisungsabhängig von ihm arbeiten“, sagte Apostel, auf Baustellen im ganzen Bundesgebiet, einem Ärztehaus in Ratingen zum Beispiel. Von dem versprochenen Geld indes hätten sie nur wenig gesehen. Anfänglich habe es zwar Abschlagszahlungen gegeben, doch pro Mitarbeiter stehen mehrere tausend Euro Restforderungen aus. Außerdem hätten sie für die Unterbringung, oftmals in Mehrbettzimmern, Abzüge hinnehmen müssen. Etwa 50 bis 60 betroffene Zeugen sind inzwischen befragt worden. „Er hat versprochen zu zahlen, ohne es vorzuhaben“, begründet die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungsansätze. Dieses Geschäftsgebaren war schon im vergangenen Sommer aufgefallen, mit den fälligen Konsequenzen. Dieser „Schuss vor den Bug“ hinderte Weinert aber nach Überzeugung des ermittelnden Staatsanwalts nicht daran, weitere Rumänen zu akquirieren, ihnen fortan jedoch gar keinen Lohn mehr zu zahlen. „Er hat unverdrossen weiter gemacht“, erklärte Apostel. Seither habe er zwölf neue Firmen gegründet, das Hauptunternehmen – Exakt Bau – deren Geschäftsführer er war, trat in den Hintergrund. Gestern nun hatten die Strafverfolger offenbar genug davon, sie beantragten einen Haftbefehl und Durchsuchungsbeschlüsse. Am Morgen rollten sie mit mehreren Fahrzeugen in den Hof und begannen sofort mit der Sichtung der Unterlagen. Stunde um Stunde packten sie Aktenordner und Dokumente zusammen, anschließend trugen sie die Umzugskartons nach draußen in die bereit stehenden Kleintransporter. Der Staatsanwalt führte nach Angaben von Firmenmitarbeitern ein strenges Regiment, er würde alles mitnehmen wollen, sagte ein Insider. Weinerts Art der Beschäftigung wurde noch im vergangenen Dezember von einem Gewerkschaftssekretär als „moderne Form der Sklaverei“ bezeichnet. Damals hatten rumänische Wanderarbeiter durch einen Streik auf die Geschäftspraktiken des gebürtigen Siegburgers aufmerksam gemacht. Weinert geriet schon häufiger in den Verdacht, Wanderarbeiter auszubeuten. Bereits Mitte der neunziger Jahren waren Vorwürfe laut geworden, dass der Unternehmer portugiesische Arbeiter für ihre Tätigkeit nicht bezahlt und sie nach Feierabend in einer Halle in Siegburg eingepfercht habe. Noch vor einem Monat hatte Weinert in einem Gespräch mit dem „Rhein-Sieg-Anzeiger“ erklärt, dass sein Beschäftigungsmodell legal sei. Für Großbaustellen bekomme er keine deutschen Arbeiter, daher müsse er alle Möglichkeiten des Arbeitsmarktes ausnutzen, um Arbeitskräfte zu finden. „Ich nutze nur die Freizügigkeit der EU-Gesetzgebung“, sagte der Unternehmer. Dies sah der Europäische Verband für Wanderarbeiter anders: Weinerts Praktiken grenzten an Menschenunwürdigkeit, so die Bewertung einer Sprecherin.
Weiterführender Link: http://www.rhein-sieg-anzeiger.ksta.de/html/artikel/1200142206268.shtml